Nachdem das
Chancho-Essen(=Schwein) bei unserem ersten Besuch ja dann ausgefallen war, sind
wir am Dienstag nochmal dazu eingeladen worden – denn mittlerweile war eine
andere Schwester aus Sucre angereist. Das Essen war auch echt lecker! Und weil
diesen Freitag hier ja auch „Todos Santos“, also Allerheiligen gefeiert wird,
haben wir auch noch miterlebt, wie sie dafür Pan gebacken haben und durften
sogar selbst mithelfen. Ina und ich haben vor allem über die Mengen gestaunt.
Denn es waren zwei Riesenwannen Teig, die zu Pan in verschiedenen Formen
verarbeitet wurden. Renilda, die
Schwester von Reina und Carlos hat mir dann erklärt, dass es hier Brauch ist,
die Leute, die man auf dem Friedhof trifft zu einem Stück Pan einzuladen.
Außerdem wird wohl der ganze Tisch mit Pan beladen, wenn Familie, Freunde und
Bekannte zum gemeinsamen Feiern und Gedenken kommen. Deshalb wird wohl auch in
allen Familien, in denen vor kurzem ein Familienmitglied verstorben ist, eine
Art Hausaltar eingerichtet und eben so viel gebacken.
Inzwischen ist Freitagnachmittag
und ich habe noch einiges mehr über diesen in Bolivien so wichtigen Feiertag
erfahren. Gerade kommen wir vom Mittagessen bei einer Lehrerin, die uns
eingeladen hatte an ihrer Feier teilzunehmen. Es war sehr nett, weil uns die
Familie ganz selbstverständlich in ihrer Mitte aufgenommen hat und sie uns auch
gerne über ihre Traditionen und die Bedeutung der verschiedenen Bräuche
aufgeklärt haben. Aber von vorne.
Vor unserem Hostel steigen wir in
ein Taxi und lassen uns zur Sureña-Brauerei fahren, wo wir auf unsere
Gastgeberin warten sollen. Wir werden dann auch prompt abgeholt und zum Haus
ihrer verstorbenen Mutter geführt. Wir treten ein und werden sofort sämtlichen
Familienmitgliedern vorgestellt und freudig begrüßt. Der Besuch der „Gringas“
scheint keine so große Attraktion zu sein, zumindest werden wir nicht von allen
begafft. Dann werden wir in einen Raum geführt, in dem ein großer mit Essen
beladener Tisch steht, den wir als den Hausaltar erkennen, von dem wir schon
gehört haben. An seinem Ende stehen Fotos der verstorbenen und an der Wand
dahinter hängt ein Kreuz und darüber die typische „Corona“. Das Essen auf dem
Tisch stellt die Lieblingsspeisen der verstorbenen dar: Pan in verschiedensten
Variationen, Torte, Getränke…
Besonders auffallend ist auch
eine Leiter aus Pan, die von zwei Tantawuawuas(~Babys aus Pan) eingerahmt ist.
Von Ximena erfahren wir, dass die Leiter als Symbol dafür steht, dass die
Seelen der Verstorbenen zum Himmel aufsteigen.
Kaum setzen wir uns, bekommen wir
das typische „Todos los Santos“-Essen in die Hand gedrückt. Traditionell gibt
es an diesem Tag Chancho mit „?“, also Schwein mit aufgekochtem Mais, der hier
in Bolivien ziemlich typisch ist, aber wenig nach dem uns bekannten Mais
schmeckt. Auch wenn die Bolivianer dies abstreiten, finden wir das Essen etwas
„pikante“, aber trotzdem sehr lecker! Zur besseren Verdauung gibt’s
anschließend noch ein Glas Bier – allerdings nicht die hier verbreitete Chicha,
gegorener Maissaft.
Nach dem Essen erheben sich alle
zum gemeinsamen Gebet. Es gibt eine Gebetssprecherin, die anderen sprechen die
gemeinsamen Teile mit.
Später unterhalten wir uns noch
mit Ximena, der Lehrerin, die uns eingeladen hat. Sie erzählt uns über die
Bräuche und auch wie Allerheiligen auf dem Campo, also in den Dörfern gefeiert
wird.
Dort sind die Bräuche oft noch
stärker ausgeprägt und der Feiertag beginnt bereits in der Nacht von Donnerstag
auf Freitag. Die Bewohner gehen auf den Friedhof, mit selbstgebackenem Pan und
Chicha, zu dem dann alle anderen eingeladen werden – sodass daraus oft eine
feuchtfröhliche Feier wird. Auch die Hausaltäre sind in Alcalá wohl noch größer
und mit viel mehr Gebäck beladen, dass dann an alle verteilt wird, die
vorbeikommen und gemeinsam mit der Familie den Toten gedenken.
Auch gibt es den Brauch(auch in
Sucre), dass die „Corona“ über der Haustür aufgehängt wird, als Zeichen, dass
jeder eintreten und mit „feiern“ darf. Beim Eintreten gibt es für jeden drei
Schnäpse/Cocktails, die zuerst getrunken werden müssen und anschließend bekommt
man eine Tüte voll Gebäck und Pan. Viele Leute gehen an diesem Tag dann von
Haus zu Haus, sind nach kurzem betrunken und stauben Backwaren ab.
Schließlich machen wir uns auf
den Heimweg – das heißt der Mann von Ximena fährt uns wieder zurück zum Hostel.
Als wir uns verabschieden, fragen einige noch nach, woher wir kommen und was
wir hier machen – und das Gefühl des Willkommenseins, das ich schon zu Beginn
hatte, wird noch einmal bestätigt. Schließlich sitzen wir satt und zufrieden im
Auto, mit noch einer Tüte Gebäck, die wir zum Abschied bekommen haben.
José, Erdulfo und Renilda beim Pan backen |
Zwei dieser riesigen Teigwannen haben sie verarbeitet - und am Tag zuvor auch schon etwas. |
Ein kleiner Teil des fertiggebackenen Pans vor dem typischen Lehmofen. Carlos und José sind begeistert von Inas Kamera |
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