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dieser Blog soll mir in den nächsten 12 Monaten - und vielleicht auch darüber hinaus - als Plattform dienen, um euch über meine Erlebnisse und Erfahrungen in Bolivien zu berichten. Schnuppert doch einfach mal rein.Viel Spaß beim Lesen!

Samstag, 3. November 2012

Todos los Santos


Nachdem das Chancho-Essen(=Schwein) bei unserem ersten Besuch ja dann ausgefallen war, sind wir am Dienstag nochmal dazu eingeladen worden – denn mittlerweile war eine andere Schwester aus Sucre angereist. Das Essen war auch echt lecker! Und weil diesen Freitag hier ja auch „Todos Santos“, also Allerheiligen gefeiert wird, haben wir auch noch miterlebt, wie sie dafür Pan gebacken haben und durften sogar selbst mithelfen. Ina und ich haben vor allem über die Mengen gestaunt. Denn es waren zwei Riesenwannen Teig, die zu Pan in verschiedenen Formen verarbeitet wurden.  Renilda, die Schwester von Reina und Carlos hat mir dann erklärt, dass es hier Brauch ist, die Leute, die man auf dem Friedhof trifft zu einem Stück Pan einzuladen. Außerdem wird wohl der ganze Tisch mit Pan beladen, wenn Familie, Freunde und Bekannte zum gemeinsamen Feiern und Gedenken kommen. Deshalb wird wohl auch in allen Familien, in denen vor kurzem ein Familienmitglied verstorben ist, eine Art Hausaltar eingerichtet und eben so viel gebacken.

Inzwischen ist Freitagnachmittag und ich habe noch einiges mehr über diesen in Bolivien so wichtigen Feiertag erfahren. Gerade kommen wir vom Mittagessen bei einer Lehrerin, die uns eingeladen hatte an ihrer Feier teilzunehmen. Es war sehr nett, weil uns die Familie ganz selbstverständlich in ihrer Mitte aufgenommen hat und sie uns auch gerne über ihre Traditionen und die Bedeutung der verschiedenen Bräuche aufgeklärt haben. Aber von vorne.
Vor unserem Hostel steigen wir in ein Taxi und lassen uns zur Sureña-Brauerei fahren, wo wir auf unsere Gastgeberin warten sollen. Wir werden dann auch prompt abgeholt und zum Haus ihrer verstorbenen Mutter geführt. Wir treten ein und werden sofort sämtlichen Familienmitgliedern vorgestellt und freudig begrüßt. Der Besuch der „Gringas“ scheint keine so große Attraktion zu sein, zumindest werden wir nicht von allen begafft. Dann werden wir in einen Raum geführt, in dem ein großer mit Essen beladener Tisch steht, den wir als den Hausaltar erkennen, von dem wir schon gehört haben. An seinem Ende stehen Fotos der verstorbenen und an der Wand dahinter hängt ein Kreuz und darüber die typische „Corona“. Das Essen auf dem Tisch stellt die Lieblingsspeisen der verstorbenen dar: Pan in verschiedensten Variationen, Torte, Getränke…
Besonders auffallend ist auch eine Leiter aus Pan, die von zwei Tantawuawuas(~Babys aus Pan) eingerahmt ist. Von Ximena erfahren wir, dass die Leiter als Symbol dafür steht, dass die Seelen der Verstorbenen zum Himmel aufsteigen.
Kaum setzen wir uns, bekommen wir das typische „Todos los Santos“-Essen in die Hand gedrückt. Traditionell gibt es an diesem Tag Chancho mit „?“, also Schwein mit aufgekochtem Mais, der hier in Bolivien ziemlich typisch ist, aber wenig nach dem uns bekannten Mais schmeckt. Auch wenn die Bolivianer dies abstreiten, finden wir das Essen etwas „pikante“, aber trotzdem sehr lecker! Zur besseren Verdauung gibt’s anschließend noch ein Glas Bier – allerdings nicht die hier verbreitete Chicha, gegorener Maissaft.
Nach dem Essen erheben sich alle zum gemeinsamen Gebet. Es gibt eine Gebetssprecherin, die anderen sprechen die gemeinsamen Teile mit.
Später unterhalten wir uns noch mit Ximena, der Lehrerin, die uns eingeladen hat. Sie erzählt uns über die Bräuche und auch wie Allerheiligen auf dem Campo, also in den Dörfern gefeiert wird. 
Dort sind die Bräuche oft noch stärker ausgeprägt und der Feiertag beginnt bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Die Bewohner gehen auf den Friedhof, mit selbstgebackenem Pan und Chicha, zu dem dann alle anderen eingeladen werden – sodass daraus oft eine feuchtfröhliche Feier wird. Auch die Hausaltäre sind in Alcalá wohl noch größer und mit viel mehr Gebäck beladen, dass dann an alle verteilt wird, die vorbeikommen und gemeinsam mit der Familie den Toten gedenken.
Auch gibt es den Brauch(auch in Sucre), dass die „Corona“ über der Haustür aufgehängt wird, als Zeichen, dass jeder eintreten und mit „feiern“ darf. Beim Eintreten gibt es für jeden drei Schnäpse/Cocktails, die zuerst getrunken werden müssen und anschließend bekommt man eine Tüte voll Gebäck und Pan. Viele Leute gehen an diesem Tag dann von Haus zu Haus, sind nach kurzem betrunken und stauben Backwaren ab.
Schließlich machen wir uns auf den Heimweg – das heißt der Mann von Ximena fährt uns wieder zurück zum Hostel. Als wir uns verabschieden, fragen einige noch nach, woher wir kommen und was wir hier machen – und das Gefühl des Willkommenseins, das ich schon zu Beginn hatte, wird noch einmal bestätigt. Schließlich sitzen wir satt und zufrieden im Auto, mit noch einer Tüte Gebäck, die wir zum Abschied bekommen haben.

José, Erdulfo und Renilda beim Pan backen

Zwei dieser riesigen Teigwannen haben sie verarbeitet - und am Tag zuvor auch schon etwas.

Ein kleiner Teil des fertiggebackenen Pans vor dem typischen Lehmofen. Carlos und José sind begeistert von Inas Kamera








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