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Samstag, 17. November 2012


In den letzten zwei Wochen ist hier in Alcalá eigentlich recht wenig Neues passiert. Am Mittwoch nach unserer Rückkehr aus Sucre hatte ich meinen ersten „Krankheitstag“, aber das war schnell wieder vorbei und inzwischen bin ich wieder vollständig fit.
Eine ziemliche Schock-Nachricht ereilte uns auch am Mittwoch: Eine Schülerin aus Inas Escuela-Klasse war am Wochenende im Fluss ertrunken. Helena war über das Feiertagswochenende bei ihrer Familie auf dem Campo und wurde scheinbar von den Wassermassen des Flusses überrascht. Meine Erzieherin hatte mir schon am Dienstag davon erzählt, allerdings habe ich es irgendwie falsch verstanden und mir war jedenfalls nicht bewusst, dass das Mädchen hier in Alcalá zur Schule gegangen ist.
Vor allem für Ina war es dann am Mittwoch-Vormittag ein ziemlich großer Schock, als sie in die Klasse kam und von den Mitschülern von ihrem Tod erfuhr. Zuerst konnte sie es gar nicht glauben, vor allem auch weil die Schüler alle ziemlich „normal“ wirkten und eher noch Witze über die Geschehnisse machten. Das hat uns auch klar gemacht, dass solche Unfälle hier nicht „so“ selten sind und der Tod noch viel selbstverständlicher dazu gehört.
Aber plötzlich war mir dann auch klar, warum am Montag die Flagge auf Halbmast hing und mit Trauerflor behangen war.
Mit der Strömung im Fluss ist das hier ziemlich krass. Die ersten Wochen war der Fluss hier komplett leer, aber seit es jetzt immer öfter mal regnet, ist der Pegel etwas gestiegen – allerdings nicht so, dass man darin eine Gefahr vermuten könnte. Aber bereits auf unserer letzten Fahrt nach Sucre haben wir gesehen, wie der Fluss direkt nach Regen aussehen kann. Obwohl es hier gar nicht so stark geregnet hatte, war das Flussbett so voll und die Strömung so stark, dass wir mit der Flota nicht hindurch fahren konnten, sondern außenherum über die Brücke mussten. Die Strömung muss dadurch zustande kommen, dass das Wasser auch aus höher gelegenen Gegenden herunterläuft und sich so ansammelt – und letztendlich ist der Fluss dann doch ziemlich gefährlich!
Fluss in seinem momentanen Normalzustand

Fluss eine halbe Stunde nach regenreichem Vormittag

Fluss auf der Fahrt nach Sucre(nicht direkt in Alcalá)


Fluss auf der Fahrt nach Sucre

Eine weitere Besonderheit der letzten zwei Wochen war mein erster Besuch in einer der Außenschulen. Am Dienstag hat endlich geklappt und ich habe Ina nach Garzas Chicas begleitet. Eigentlich hatte ich das schon vor zwei Wochen vor, doch es kam nie zustande, weil das Auto nicht fuhr oder das Wetter verrücktspielte. Wieder einmal wurden wir auf unsere Spontanität getestet.
Am Dienstag war es dann also so weit. Mit dem Camion der Lehrerin machen wir uns gegen Viertel nach Acht – eine halbe Stunde später als verabredet – auf den Weg. Vorbei am Hof von Carlos und Reina und immer weiter in die Berge. Schließlich stoppt der Wagen und wir steigen aus, doch eine Schule ist weit und breit nicht zu sehen. Ein, zwei Höfe sind das einzige Zeichen von menschlichem Leben mitten in der Weite der Natur. Von dort kommen uns auch sofort zwei Schülerinnen entgegen, die sich gemeinsam mit uns auf den restlichen Fußmarsch machen. Es ist die wilde Natur, die wir durchqueren. Kein Mensch begegnet uns, kein Tier ist zu sehen. Einzig und allein ein paar Kaulquappen schwimmen in den schmalen Bachläufen. Ab und zu ist in einem Tal ein Hof sichtbar und schließlich tauchen auf einem Berg vor uns drei Gebäude auf. Mitten im Nirgendwo liegt die Schule von Garzas Chicas.
Als wir ankommen, sind einige Kinder bereits da und warten. Die Lehrerin schließt das Schulgebäude auf, das aus einem einzigen Klassenraum besteht. Dort werden alle fünf verschiedenen Klassenstufen unterrichtet. Die Schüler stürmen in den Raum, Ina zeigt mir ihre Arbeitsstätte, während die Lehrerin wieder nach draußen geht, um mit einer Mutter die Kochstelle vorzubereiten. Es dauert noch eine Weile bis alle Kinder da sind und die Lehrerin sie offiziell begrüßt. Dann endlich kann es losgehen. Von Inas Englischschülern fehlen zwei und so arbeiten wir an diesem Tag mit nur drei Kindern. Es läuft gut und Ina ist selbst überrascht, wie motiviert sie sind und wie gut sie mitarbeiten. Die größten Störenfriede sind eben nicht da. Ich halte mich im Hintergrund und beobachte hauptsächlich wie Ina mit den Kindern arbeitet. Sie wiederholt die Zahlen, Farben und Familie. Die Kinder schauen in ihren Aufschrieben nach und schreiben die englischen Vokabeln an die Tafel. Die Aussprache kommt nicht zum Zug, es ist für die Schüler Anstrengung genug die richtige Schreibweise zu lernen – und von einem wirklichen Wissensstock, auf den sie ohne Heft zurückgreifen können, sind sie noch weit entfernt und werden es wohl auch bleiben.
Während wir mit den Großen Englisch machen, sitzen die Jüngeren in der anderen Raumhälfte. Die Lehrerin sitzt an ihrem Pult, blättert in einem Heft, macht sich Notizen und gibt ihren Schülern nach einiger Zeit dann eine Aufgabe. Von Unterricht kann keine Rede sein. Schließlich verlässt sie den Raum ganz, hilft beim Kochen, schaut ab und zu rein und schimpft mit den Kindern, weil sie nicht ihre Aufgaben bearbeiten, sondern herumtoben und schauen, was die Großen machen. Das lenkt auch unsere von ihrer Arbeit ab, die Konzentration hat nach einer Stunde sowieso schon stark nachgelassen.
Um halb elf wird die Glocke zur Pause geläutet und Ina und ich machen uns wieder auf den Heimweg. Ich kann gut nachvollziehen, was ihr an dieser Schule Bauchschmerzen bereitet und wie anstrengend es sein kann – auch wenn es an diesem Tag ziemlich entspannt abgelaufen ist. Vielleicht werde ich sie ab jetzt immer begleiten, allerdings weiß ich noch nicht, wie wir dann die Aufgaben verteilen werden. Ob ich mich mehr mit den Kleineren beschäftige… es wird sich zeigen. Auch, ob ich es im Kindergarten so regeln kann, dass ich dienstags nicht mehr komme. Aber das laufende Schuljahr ist eh bald zu Ende, dann sind erst Ferien und danach wird der Stundenplan wahrscheinlich auch nochmal geändert. Also sage ich mir ganz bolivianisch: Immer schön spontan bleiben, sich nicht zu viel vornehmen und planen und für alles offen sein.

rechts Schulgebäude mit Klassenraum, links Lagerraum und Küchen


Ina beim Unterrichten der drei Englisch-Schüler

Seitlich sitzen noch zwei jüngere Schüler




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