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dieser Blog soll mir in den nächsten 12 Monaten - und vielleicht auch darüber hinaus - als Plattform dienen, um euch über meine Erlebnisse und Erfahrungen in Bolivien zu berichten. Schnuppert doch einfach mal rein.Viel Spaß beim Lesen!

Samstag, 1. Dezember 2012

Besucher, Censo und andere Geschichten


Mit unserer Rückkehr aus Sucre haben wir gleich mehrere Besucher mit nach Alcalá gebracht. Zum einen waren Inas Eltern am Wochenende in Sucre gelandet und wollten erst mal unseren Einsatzort kennenlernen und zum anderen bekamen wir Besuch von einer BMZ-Abgesandten aus Deutschland.
Als ich am Freitagabend mit der Flota in Sucre ankam, hatte Ina ihre Eltern bereits vom Flughafen abgeholt. Nach der anstrengenden Reise war dann auch zunächst mal schlafen angesagt, bevor es am nächsten Tag auf Stadttour durch Sucre ging. Allerdings war noch nicht geklärt, wie die Fahrt nach Alcalá geregelt werden würde. Denn Inas Eltern hatten einiges an Gepäck dabei und außerdem hatten wir in Sucre immer noch eines von Mariekes riesigen Paketen gelagert, das schließlich auch irgendwie an den Ort seiner Bestimmung transportiert werden sollte. Daher – und weil am Mittwoch der Censo anstand und daher keine Flotas fahren würden – kam Ina auf die Idee ein Auto zu mieten. Dies war dann auch schon der feste Plan, es mangelte nur noch an einer passenden Autovermietung. Und das wurde dann auch wirklich zum Problem: In Sucre gibt es insgesamt nur drei Vermietungen. Eine war eindeutig zu teuer und bei einer anderen musste man es 48 Stunden im Voraus anmelden. Also doch kein Auto gemietet! Was nun? Taxi? Oder doch Flota? Erst mal Arturo nach einer Idee fragen. Der hat uns schließlich ein Taxi vermittelt, das uns am Sonntag um elf vor dem Hostel abholen und dann mit Zwischenstopp in Tarabuco nach Alcalá bringen sollte.

So kam es dann auch. Pünktlich um elf (so gar nicht nach bolivianischer Art) stand das Taxi vor der Tür und es ging los. Über die Pause in Tarabuco hatte ihn anscheinend niemand informiert und dementsprechend war dann auch sein Fahrstil. Kaum aus Sucre draußen, riecht es verdächtig nach Gummi und wir halten am Straßenrand. Motorhaube auf, ein bisschen herumhantieren, immer mal wieder an der Zündung spielen und testen… Das Problem scheint nicht unbekannt zu sein. Nach kaum fünf Minuten geht es weiter und nach ein ein Viertel Stunden sind wir ohne weitere Pause in Tarabuco angekommen. Dort schlendern wir ein bisschen über den bekannten Markt mit Kunsthandwerk und bereits nach wenigen Minuten treffen wir auf unsere Kollegin Suse, die dort „stationiert“ ist und gerade dabei ist, die Frau vom BMZ (wie wir auf der Durchreise nach Alcalá) durch den Ort zu führen. (Besonders nett war, dass Ina mit ihren Eltern in einem Hotel/Restaurant frühstücken war und sie dort schon eine Frau gesehen haben, die sehr nach deutschem Amt aussah. Und wer steht uns jetzt gegenüber? Natürlich! Genau sie! Wie klein doch die Welt ist.) Wir dürfen uns der Führung anschließen und lernen so gleich ein bisschen was über Tarabuco und lernen auch das Kulturzentrum kennen, wo ein kleines Museum zum Kunsthandwerk, aber auch zum sonstigen traditionellen Leben errichtet wurde. Anschließend gehen wir zurück über den Markt zum Hostel, wo wir die anderen Freiwilligen kurz begrüßen uns dann aber auch schon wieder auf den Weg zum Taxi machen. Der Markt in Tarabuco hat wirklich viele schöne Kunsthandwerks-Artikel zu bieten; von Armbändern über Ponchos und Mützen bis zu Taschen. Also alles, was das Touri-Herz begehrt. Allerdings soll hier alles das doppelt und dreifache von dem kosten, was man in La Paz bezahl und so begnügen wir uns damit uns umzuschauen und werden uns dann in der höchsten Stadt der Welt mit allem eindecken, was uns in unserer „Bolivien-Sammlung“ noch fehlt.



Nach weiteren knapp zwei Stunden rasanter Fahrt über holprige und staubige Straßen kommen wir in Alcalá an. Wir steigen aus und Inas Papa meint nur: „Das war jetzt Rekordzeit, oder?“. Das war es auf jeden Fall, denn in nur drei Stunden haben wir die Strecke bis jetzt noch nie zurückgelegt und wenn der Taxifahrer den Rückweg mit der gleichen Geschwindigkeit hinter sich gebracht hat, kann er froh sein, wenn das sein Auto überlebt. – So zumindest unsere Ansicht. Da wir aber alle heil angekommen sind, kümmern wir uns nicht weiter darum und genießen den restlichen Nachmittag in Alcalá.
Abends – wir sitzen gerade noch im „Foyer“ oder auch Wohnzimmer und helfen bei Englisch-Hausaufgaben – kommt dann auch der restliche Besuch an: Die Abgesandte vom BMZ in Begleitung von Arturo und seiner Familie gemeinsam mit einem Großteil unseres Gepäcks. Nachdem unsere Nachhilfe beendet ist und wir uns in unsere Zimmer zurückziehen, gibt es für sie noch einen Willkommens-Trunk. Wir staunen in der Zwischenzeit noch über die Massen an Mitbringseln, die Inas Eltern aus ihren Koffern packen (anschließend ist Nathalies komplettes Bett damit bedeckt) und auch darüber, dass Mäuschen Schokolade und Kekse aus unseren Schränken futtern.
Beim Frühstück am nächsten Morgen lädt uns Arturo dazu ein mit zum wöchentlichen Fahne hissen in die Escuela zu kommen. Diesmal gibt es noch extra Programm für die Besucher aus Deutschland: Nach dem Singen der Nationalhymne, folgen kurze Ansprachen von Don Roger, der Direktorin, einer Schülerin (aus meiner Klasse) und natürlich auch von Arturo und Frau Schuster vom BMZ. Anschließend gehen die Schüler in ihre Klassen und wir werden noch kurz ins Direktorat gerufen, wo sich die Direktorin nochmal bedankt und eine kurze Unterhaltung über die Freiwilligenarbeit stattfindet.




Nachdem dieser offizielle Teil beendet ist, trennen wir uns wieder von der „BMZ/HI-Gruppe“. Sie wollen weiter nach Mula Cancha, einer Außenschule, und Ina will gemeinsam mit ihren Eltern zu Carlos und Reina. Nach kurzem Überlegen schließe ich mich ihnen an, da ich eh erst ab halb elf in der Escuela sein müsste und meine Aufgaben dort die letzten Wochen auch ziemlich begrenzt waren.
So machen wir uns auf den Weg durch eine sonnendurchflutete Landschaft und vorbei an blühenden Kakteen. Als wir auf dem Hof ankommen, ist zunächst mal wieder keiner da, nur Carlos können wir ein Stück entfernt in einen Baum sehen, wo er gerade das alte Trockenlager auflöst. Auch er scheint uns gesehen zu haben, denn als wir nach einigen Minuten wieder aus dem Haus kommen sehen wir ihn kommen. Wir begrüßen ihn und lassen Ina dann eine Weile mit ihm alleine, damit sie ein bisschen zum Arbeiten kommen. Unterdessen gehe ich mit Inas Eltern hinters Haus und übers Feld in die Richtung, aus der Carlos gekommen war. Als wir zurückkommen, sehen wir schon von weitem, dass inzwischen das zweite Pferd wieder da ist. Inzwischen ist auch Erdulfo da. Er zeigt uns stolz seine Ausweise, während Ina mit Carlos noch am Arbeiten ist und schließlich kommt auch Reina angeritten. Auch sie arbeitet noch eine Weile mit Ina, bevor wir uns langsam wieder auf den Rückweg machen. Insgesamt scheinen sich die beiden über den Besuch sehr zu freuen und wollen uns so viel wie möglich erzählen – nicht alles davon verstehen Inas Eltern und ich ohne Inas Hilfe.
Am Nachmittag arbeiten wir noch ein bisschen im Garten und dann steht wie gewohnt noch der Spielesalon auf dem Programm. Dort werden wir noch einmal kurz vom BMZ besucht, bevor sie sich schon wieder auf den Rückweg nach Sucre machen. Am Mittwoch geht ihr Flieger zurück nach Deutschland. So hatte sie also ein ziemlich straffes Programm hier in Alcalá und es ist mir ein Rätsel, wie man sich so einen Eindruck von der Arbeit und den Einsatzstellen machen soll. Meiner Meinung nach war das Ganze eh nur ein Prestige-Besuch, um sich mal hier blicken zu lassen, ohne wirkliches Hintergrundwissen.
Unser privater Besuch dagegen bleibt noch einen Tag länger und so machen wir uns abends daran die Geschenke/Spenden von Marieke für die Außenschule Garzas Chicas bereit zu machen, wo wir am Dienstag hin wollen.

Am nächsten Tag heißt es dann aber: Garzas? – Vielleicht? – Ja! – Nein, doch nicht!
Denn in der Nacht hat es so geregnet, dass wir zunächst gar nicht wissen, ob überhaupt Unterricht sein würde. Doch auf Nachfrage bei der Lehrerin, bekommen wir eine Zusage, allerdings haben die Kinder Examen. Dies passt zwar nicht wirklich zu unseren Geschenke-Plänen, aber nun gut. Gerade wollen wir auf den Camión der Lehrerin aufsteigen, als die Frau von der Flota-Gesellschaft angerannt kommt und uns sagt, dass die Flota bereits um zehn Uhr nach Sucre aufbrechen würde, da sie abends bereits wieder hier sein müsste – wegen dem Censo. Also doch kein Garzas-Besuch mehr. Wir disponieren um und lassen uns nur bis zum Hof von Reina und Carlos fahren, um ihnen noch einen letzten Besuch abzustatten und Geschenke(T-shirts und Kappen) von Inas Eltern zu bringen. Das ist dann auch echt nochmal schön und gegen halb zehn sind wir dann schon wieder zurück in Alcalá und nachdem alles fertig gepackt ist, kommt die Flota pünktlich und ich verabschiede mich von ihnen, bevor ich für den Rest des Vormittags noch in die Benjita gehe.

So werden unsere Pläne mal wieder komplett durcheinander geworfen, aber im Endeffekt war es doch sehr lieb von der Frau uns Bescheid zu sagen. Ansonsten wäre Ina mit ihren Eltern hier festgehangen.



Für alle die noch immer am Rätseln sind, was denn bitteschön der Censo ist, hier die Auflösung. Nach zehn Jahren fand diesen Mittwoch hier in Bolivien die nächste Volkszählung statt. Der Censo 2012. Dazu hatten wir bereits vor einigen Wochen gehört, dass an diesem Tag eine allgemeine Ausgangssperre galt, keine Fahrzeuge verkehren dürften und auch sonst alles still stehen würde. Die erste Besonderheit merkte man dann hier in Alcalá am Dienstagabend. Dazu einen Auszug aus meinen „Freiwilligen-Stories des Tages“:

Dienstag, 20. November 2012 „Der Censo beginnt“
Die ersten Auswirkungen des Censo haben wir schon heute Morgen zu spüren bekommen. Ina ist ja heute mit ihren Eltern zurück nach Sucre gefahren. Und eigentlich hatten sie Tickets für die Doze, also für nachmittags. Aber gerade als wir auf den Camion nach Garzas steigen wollten, kam die Frau von der Doze angerannt und meinte sie würden schon um zehn fahren, weil sie abends wieder zurück sein müssen für den Censo. Wir haben dann kurzfristig alle Pläne umgeschmissen und sind nur nochmal schnell bei Carlos und Reina vorbei.
Heute Abend hat man hier dann wirklich gemerkt, dass morgen was Besonderes sein muss. Nachdem drei Flotas aufeinmal eingefahren sind, habe ich Ina ne SMS mit „Massenaufkommen“ geschickt, aber erst in der 5. Saß schließlich Hagen ( der war ja noch in Sucre sich „verstecken“) und nach Flota Nummer 11 – zwei, drei sind einfach durchgefahren und vier stehen geparkt an der Plaza und scheinen über Nacht hier zu bleiben – bin ich wieder ins Zimmer gegangen. Aber draußen steht immernoch alles voll und viele scheinen noch zu warten. Kaum zu glauben, dass so viele Menschen aus Sucre nach Alcalá und El Villar müssen!
Das Auto von der Alcaldía hat dann noch einige Internado-Schüler nach Hause gefahren – zumindest nehme ich das an, weil sie erst in die Richtung Internat/ Colegio gefahren sind und dann mit sieben, acht Jugendlichen auf der Ladefläche wieder zurückgekommen sind.
Außerdem kamen auch noch mehrere PKWs aus Richtung Sucre und ich habe sogar noch ein Taxi gesehen. So viel Verkehr gibt es hier auch nur einmal in zehn Jahren!!!


Ein weiterer Beitrag zum Tag des Censos selbst:

Mittwoch, 21. November 2012 „Censo2012“
Nach 10 Jahren war heute der Tag der Volkszählung. Schon gestern war ja am Verkehr eine Veränderung zu spüren und heute dann also mittendrin im Geschehen.
Gleich nach dem Frühstück meinte Doña Clivia wir sollten uns dann „censieren“ lassen und schickte Lile zu uns. Die hat dann einen doppelseitigen Bogen mit uns ausgefüllt: Alter, Herkunft, Bildungsstand, Sprachen, Gesundheitsversorgung…
Eigentlich ziemlicher Quatsch, dass wir Voluntarios da auch mitgezählt werden – es wurde auch nicht nach unsrer Aufenthaltsdauer gefragt.
Jana hatte uns ja schon erzählt, dass am Censo eine offizielle Ausgangssperre herrscht, deshalb habe ich mich dann zuerst auch nicht auf die Straße getraut – trotz herrlichem Sonnenschein. Schließlich bin ich dann aber doch Richtung Fluss und es hat auch wirklich niemanden interessiert. Die Straßen waren zwar ziemlich leer, aber es waren doch immer Leute unterwegs.
Ina hat geschrieben, dass sie in Sucre auch mit ihrem Papa draußen war. Und dort sind sie dann wohl sogar einmal ermahnt worden – allerdings nur aus dem Auto raus und ohne weitere Konsequenzen.
Die abgearbeiteten Häuser haben dann einen schönen Aufkleber bekommen und ab zehn sollen jetzt auch die Flotas wieder fahren. Acht Stück standen heute Morgen um die Plaza herum und in die Kirchenstraße rein. Mir ist allerdings noch klar geworden, dass die Flotas ja nicht nur aus Sucre, sondern aus dem ganzen Land gekommen sind.


Heute hat mir meine Erzieherin dann noch erzählt, dass Alcalá 5000 Einwohner braucht, um weiterhin als eigenständiges Municipio, also als Gemeinde zu zählen. Ansonsten würde  die Alcaldía(=Bürgermeisteramt oder so ähnlich) nicht mehr weitergeführt werden und Alcalá an eine andere Gemeinde wie El Villar, Padilla oder Supachuy angeschlossen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind dann wohl extra viele angereist, die sich als in Alcalá wohnhaft registrieren haben lassen und deshalb war es unserem Don auch so wichtig, dass wir Freiwilligen hier sind und uns mitzählen lassen. Mal sehen obs geklappt hat und wann man überhaupt was von den Ergebnissen hört.

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